Ein kleiner Exkurs bezüglich des ayurvedischen Multi-Talents. 

Im vorherigen Teil des Ashwagandha-Blogs haben wir gelernt, dass die Einnahme des ayurvedischen Multitalentes Stress reduzieren und die Schlafqualität verbessern kann. Im Zuge dessen haben wir die waghalsige Behauptung aufgestellt, dass dies möglicherweise auch einen positiven Effekt auf unser Hormonsystem (v.a. Testosteron) und die sportliche Leistungsfähigkeit haben könnte. Haben wir uns mit diesen Annahmen zu weit aus dem Fenster gelehnt? Finden wir es heraus!

Bonilla und Kollegen veröffentlichten im Jahre 2021 ein systematisches Review inklusive Meta-Analyse bezüglich des Effektes von Ashwagandha (gegenüber Placebo) auf die körperliche Leistungsfähigkeit, in der sie 12 Studien mit insgesamt 615 gesunden Probanden (mit und ohne Trainingserfahrung) einbezogen.

Fünf dieser Studien untersuchten den Einfluss einer Ashwagandha-Einnahme auf die Kraft (Strength) und Schnellkraft (Power), wobei verschiedene Parameter, wie die Griffkraft, die Muskelkraft der Beine und Arme, sowie die maximale Beschleunigung beleuchtet wurden.

Zwei dieser Studien haben zudem den Einfluss der Ashwagandha-Supplementierung auf den Testosteronspiegel ermittelt.
Die übrigen sieben Studien untersuchten den Effekt einer Ashwagandha-Einnahme auf die cardiovaskuläre Fitness (VO2max und Hämoglobin-Konzentration im Blut).

Zu guter Letzt wurden außerdem Erschöpfungs- und Regenerationsparameter ausgewertet, die in den einzelnen Studien zusätzlich untersucht wurden.
 
Das Ergebnis von Bonilla und dessen Arbeitsgruppe: Verglichen mit Placebo konnte sich die Ashwagandha-Einnahme hinsichtlich einer Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit, sowohl was Kraft, Schnellkraft und Ausdauerleistung angeht, durchsetzen. Auch bezüglich der Erschöpfungs- und Regenerationsparameter erwies sich die Einnahme von Ashwagandha als effektiv.

Tauchen wir etwas tiefer ein und betrachten einige der Studien im Detail:

Dickere Arme durch Ashwagandha?
Wankhede und Kollegen veröffentlichten im Jahre 2015 die Ergebnisse einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie, in welcher sie jungen Männern mit geringer Trainingserfahrung über einen Zeitraum von acht Wochen jeden Tag 600 mg Ashwagandha-Extrakt (2x 300 mg) oder ein Placebo verabreichten. Die Probanden trainierten an vier Tagen pro Woche nach einem Trainingsplan basierend auf Richtlinien der „National Strength and Conditioning Association“. Die Messungen der getesteten Parameter wurden am ersten Trainingstag und zwei Tage nach Abschluss des achtwöchigen Programmes durchgeführt. Während beide Probandengruppen sowohl an Kraft als auch an Muskelmasse zulegten, waren die Zuwächse in der Ashwagandha-Gruppe teils deutlich größer. 

So konnte die Placebo-Gruppe ihr Gewicht im Bankdrücken um 26,42 kg steigern – die Ashwagandha-Gruppe jedoch um ganze 46,05 kg. Auch beim Beinstrecker („leg extensions“), als Maß für die Kraft des Quadrizeps, lag die Ashwagandha-Gruppe hinsichtlich des Kraftzuwachses nach acht Wochen Training vorne (+14,5 kg vs. +9,77 kg).

Auch in Sachen Zunahme des Oberarm- und Brustumfanges konnte die Ashwagandha-Gruppe größere Erfolge erzielen. Was die Zunahme des Umfanges der Oberschenkel angeht, konnte kein signifikanter Unterschied zwischen der Ashwagandha- und der Placebo-Gruppe festgestellt werden. 

Ein weiterer Parameter, der von Wankhede und Kollegen gemessen wurde, war die Körperkomposition (Körperzusammensetzung, Verhältnis von Muskelmasse zu Körperfett). Nach acht Wochen Supplementierung und Krafttraining konnte die Ashwagandha-Gruppe ihren Körperfettanteil im Durchschnitt um 3,47% reduzieren, die Placebo-Gruppe lediglich um 1,52%.

Der Serum-Testosteronspiegel in der Ashwagandha-Gruppe erhöhte sich im Mittel um ganze 96,19 ng/dl, während er in der Placebo-Gruppe um 18,0 ng/dl anstieg.

Als Marker für die Regeneration wurde die Creatinkinase (CK) herangezogen. Je weniger dieses Enzyms nach dem Training (Messung: 24-48h) aus der Muskulatur in das Blut abgegeben wird, desto besser läuft die Reparatur der Muskelzellen nach dem Training, was mit einer Verbesserten Regeneration gleichgesetzt wird. 

Sowohl in der Placebo- als auch in der Ashwagandha-Gruppe war die Regeneration nach dem achtwöchigen Trainingsprogramm besser als vorher, was darauf schließen lässt, dass der Körper sich an die Belastung gewöhnt und auch seine Regenerationskapazität anpasst. Nichtsdestotrotz lag auch hier die Ashwagandha-Gruppe vorne: Die Probanden der Ashwagandha-Gruppe wiesen deutlich geringere CK-Werte im Serum auf, als die Probanden der Placebo-Gruppe. 

Die Autoren resümieren, dass die Einnahme eines Ashwagandha-Extraktes die Anpassungen an das Krafttraining gegenüber der Placebo-Gruppe verstärkt hat. Sämtliche Parameter, bis auf die Muskeldicke des Oberschenkels, wurden durch die Ashwagandha-Einnahme signifikant verbessert!

Als potentielle Mechanismen, die zur Ashwagandha-bedingten Zunahme an Kraft und Muskelmasse führen, nennen die Autoren u.a. die hormonellen Adaptionen (Testosteron ↑, Cortisol ↓), sowie die Fähigkeit von Ashwagandha, die mitochondrialen Energielevel zu erhöhen. Und wir wissen ja aus dem Biologieunterricht der Mittelstufe: Mitochondrien sind die Energiekraftwerke der Zellen!

Auch der Effekt von Ashwagandha auf das Nervensystem, der zu mehr Fokus und Konzentration führen kann, könnte durch eine daraus resultierende bessere Koordination und Muskelfaserrekrutierung zu den verbesserten muskulären Anpassungen beitragen, so die Autoren.

Eine 2018 von Ziegenfuss und Kollegen veröffentlichte Studie untersuchte den Effekt einer 12-wöchigen Einnahme von 500 mg Ashwagandha-Extrakt auf verschiedene Marker der sportlichen Leistungsfähigkeit. Bei den Teilnehmern handelte es sich um junge, gesunde Männer mit mäßiger Trainingserfahrung. Die Probanden befolgten im Rahmen der Studie ein Trainingsprogramm bestehend aus vier Einheiten Krafttraining pro Woche. Gegenüber Placebo konnte die Ashwagandha-Gruppe ihre Leistung bei Kniebeugen und Bankdrücken (repräsentativ für Unterkörper- und Oberkörper-Kraft) steigern. Eine Verschlechterung der Körperkomposition, die während der 12 Wochen in der Placebogruppe beobachtet wurde, konnte durch die Einnahme von Ashwagandha verhindert werden. Weiterhin konnte die Einnahme des Ashwagandha-Extraktes die Ausdauerleistung (Fahrradfahren), sowie die wahrgenommene Regenerationsfähigkeit (ermittelt per Fragebogen) verbessern.

Wie immer bedarf es zusätzlicher Forschung, um die Effekte zu bestätigen und die genauen Wirkmechanismen der Ashwagandha-Pflanze und ihrer chemischen Bestandteile aufzuschlüsseln. Nichtsdestotrotz finden wir die bisher gesammelten Daten sehr spannend und vielversprechend. Außerdem konnten in diversen Studien keine unerwünschten Nebenwirkungen der Ashwagandha-Supplementierung festgestellt werden, weswegen gegen ein entsprechendes Selbstexperiment absolut nichts einzuwenden ist. Und wer weiß, vielleicht kannst ja auch du deine Bankdrückleistung innerhalb von 8 Wochen um 46 kg erhöhen. Vielleicht auch nicht – aber du solltest es definitiv herausfinden!

Und wenn es mit der Steigerung des Gewichtes beim Bankdrücken nichts wird, profitierst du ja vielleicht dennoch von den stressmildernden und schlaffördernden Eigenschaften von Ashwagandha. Oder Ashwagandha verbessert deine mentale Leistungsfähigkeit, denn auch hierzu gibt es durchaus interessante Daten:

Ashwagandha und die kognitive Funktion:
Pingali und Kollegen veröffentlichten im Jahre 2014 die Ergebnisse einer Arbeit, in welcher Sie den Effekt einer Ashwagandha-Einnahme auf die kognitive und psychomotorische Funktion von jungen, gesunden Probanden untersuchten. Hierzu nahmen die Probanden über 14 Tage zwei Mal täglich 250 mg Ashwagandha-Extrakt beziehungsweise ein Placebo ein. Bei der Studie handelte es sich um eine randomisierte Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie im Crossover-Design, was bedeutet, dass die Probanden jeweils sowohl die Ashwagandha-Kapsel (Ashwagandha) als auch das Placebo verabreicht bekamen. Nachdem ein Proband 14 Tage lang Ashwagandha eingenommen hatte, wurde das Experiment nach einer sogenannten „washout period“ (in diesem Fall 14 Tage) mit der anderen Behandlung (Placebo) wiederholt. 

Vor Beginn des Experimentes wurde der Ausgangszustand ermittelt, woraufhin die Probanden mit der 14-tägigen Ashwagandha-Einnahme starteten. Nach Abschluss der Supplementierung wurden die kognitiven und psychomotorischen Tests wiederholt. Das Ergebnis: Durch die Einnahme von Ashwagandha konnte die Reaktionszeit der Probanden signifikant verbessert werden. 

Xing und Kollegen haben den Effekt einer akuten Ashwagandha-Supplmentierung auf die kognitive Funktion unter die Lupe genommen. Hierzu haben sie 13 gesunden Freiwilligen im Rahmen einer randomisierten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie im Crossover-Design 400 mg eines Ashwagandha-Extraktes verabreicht. 

Die Probanden mussten eine Reihe virtueller kognitiver Funktionstests durchführen, um Parameter wie Beispielsweise die Reaktionsgeschwindigkeit, die Aufmerksamkeit und das Kurzzeitgedächtnis auf die Probe zu stellen.  Die Tests wurden zunächst ohne Einnahme des Supplements ausgeführt, um einen Ausgangswert zu ermitteln und dann nach der Einnahme über sechs Stunden jeweils stündlich wiederholt, um die kognitive Funktion der Probanden zu bestimmen.

Gegenüber Placebo konnte die Ashwagandha-Einnahme bestimmte Aspekte der kognitiven Funktion, darunter das Arbeitsgedächtnis und das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum, verbessern. 
Klar, Ashwagandha wirkt leider nicht wie NZT im Film „ohne Limit“, aber wenn es zusätzlich zu den anderen positiven Effekten (Weniger Stress, besserer Schlaf, mehr Kraft und Muskelmasse, mehr Testosteron) auch noch deine mentale Leistungsfähigkeit verbessern kann, ist das doch schon recht ordentlich. 

Schlusswort:
Es ist sehr spannend, dass die vielfältigen Effekte, die der Ashwagandha-Pflanze seitens der ayurvedischen Medizin seit Jahrhunderten zugeschrieben werden, nach und nach auch durch wissenschaftliche Forschung untermauert werden. Bei den in dieser Artikelreihe behandelten Publikationen handelt es sich lediglich um einen kleinen Ausschnitt der aktuellen Datenlage und wir sind uns sicher, dass noch zahlreiche Veröffentlichungen folgen werden, die noch etwas mehr Licht in die Dunkelheit bringen werden.  

Besonders interessant finden wir jedoch Folgendes: Die Tatsache, dass sich die Ashwagandha auf derart viele verschiedene Aspekte positiv auszuwirken scheint, zeigt unserer Ansicht nach nur, wie eng sämtliche Systeme miteinander verknüpft sind.

Psychischer Stress beeinflusst den Schlaf und die physische und kognitive Leistungsfähigkeit negativ. Besserer Schlaf reduziert wiederum den psychischen Stress und verbessert die Leistung. Auch körperliches Training senkt den Stresslevel und verbessert den Schlaf. 

Letzten Endes sehen wir hier die „Henne-oder-Ei“-Frage. Sorgt die stresslindernde Wirkung der Ashwagandha-Pflanze für einen besseren Schlaf und somit eine bessere Performance? Wirkt Ashwagandha direkt auf die sportliche Leistung, indem Hormone reguliert und die mitochondriale Energiegewinnung verbessert wird? Oder wirkt Ashwagandha wirklich über verschiedene Mechanismen, die einander potenzieren?

Irgendwann werden diese Fragen mit Sicherheit aufgeklärt werden – und bis dahin nehmen wir brav weiter unsere 600 mg KSM-66® Ashwagandha pro Tag und erfreuen uns der positiven Wirkung! In diesem Sinne, ein Hoch auf die traditionelle Pflanzenheilkunde und möge unser Oberarmumfang so wachsen, wie es die Wissenschaft zeigen konnte!

Referenzen & Quellenangaben zu diesem Artikel

Bonilla et al. (2021): Effects of Ashwagandha (Withania somnifera) on Physical Performance: Systematic Review and Bayesian Meta-Analysis. Journal of Functional Morphology and Kinesiology, 6(1):20, doi: 10.3390/jfmk6010020

Pingali et al. (2014): Effect of standardized aqueous extract of Withania somnifera on tests of cognitive and psychomotor performance in healthy human participants. Pharmacognosy Research, 6(1): 12–18, doi: 10.4103/0974-8490.122912

Wankhede et al. (2015): Examining the effect of Withania somnifera supplementation on muscle strength and recovery: a randomized controlled trial. Journal of the International Society of Sports Nutrition. 12:43, doi: 10.1186/s12970-015-0104-9

Xing et al. (2022): Effects of Acute Ashwagandha Ingestion on Cognitive Function. International Journal of Environmental Research and Public Health, 20;19 (19):11852. doi: 10.3390/ijerph191911852

Ziegenfuss et al. (2018): Effects of an Aqueous Extract of Withania somnifera on Strength Training Adaptations and Recovery: The STAR Trial. Nutrients, 10(11): 1807, doi: 10.3390/nu10111807